Bin ich nicht zu schwer?

Beim argentinischen Tango ist es wichtig, dass beide Partner sich gegenseitig Energie entgegen bringen und einen guten Kontakt zueinander aufbauen.

Wenn einer der Partner dem anderen diese Energie vorenthält, funktioniert argentinischer Tango nicht.

Manche Tänzerinnen und Tänzer tanzen ganz natürlich energetisch (beispielsweise etwas festere Herren mit „Führungskugel“), bei anderen muss man erst ein wenig Überzeugungsarbeit leisten.

Um festzustellen, ob die Energie der Tänzer für einen guten Kontakt ausreichend ist, machen wir in unseren Kursen immer den „Energy-Check“.

Das heißt, wir tanzen mit den Kursteilnehmern und geben Rückmeldung, ob die Energie ausreicht, um Bewegungsimpulse spürbar zu übermitteln (bei den Herren), beziehungsweise um die Bewegungsimpulse des anderen zu spüren und umsetzen zu können (bei den Damen).

 

Gut, bei etlichen Tänzern ist es so, dass man deren Energie erst heraus kitzeln muss.

Ein besonderes Phänomen gibt es dabei aber bei den Tänzerinnen.

Dieses Phänomen erlebe ich in fast jedem unserer Kurse.

Sobald ich bei unserem „Energy-Check“ einer Tänzerin die Rückmeldung gebe, mir mehr Energie entgegen zu bringen, sich auch gerne zum Üben mehr anzulehnen, kommt die besorgte Frage: „Bin ich denn nicht zu schwer?“

Wenn diese Frage von einer Dame mit Walküren-Statur käme, könnte ich das noch verstehen (obwohl es auch da fast immer unzutreffend ist).

Aber die Frage kommt oft von Frauen, die eher zierlich sind und mir, gefühlt, nur bis zum Nabel reichen, – also mit der Kategorie „Federchen“ relativ treffend beschrieben wären.

Meine Antwort darauf ist dann meistens, ein belustigtes „Neiiin“.

Deshalb meine Damen noch einmal in aller Klarheit.

Euer Tanzpartner muss Euch spüren können, er muss spüren können, wo ihr steht, ob und wie Ihr auf seine Impulse reagiert.

Wenn Ihr, wie ein sehr sanfter Lufthauch, kaum mehr wahrnehmbar seid, hat er keine Chance, mit Euch zu tanzen. Wenn Ihr, im vorauseilendem Gehorsam schon weg seid, bevor er den Impuls gibt, einen Schritt zu machen, kann er Euch nur mehr hinterher laufen.

Das hat aber nichts mit gemeinsam tanzen zu tun.

Um mit Euch tanzen zu können, braucht Euer Tanzpartner unbedingt, dass Ihr ihm Eure Energie, Eure Persönlichkeit entgegensetzt.

Wie im restlichen Leben auch.

Welche Möglichkeiten Damen haben, die Musikalität ihres Partners zu beeinflussen (und wie sie dadurch letztlich nicht nur folgen, sondern selbst die Musik interpretieren können)

Wir raten in unseren Anfängerkursen den Damen zwar, ihren Anfängerpartnern musikalische Fehler, falls  ihnen diese auffallen, nicht (oder zumindest nicht jedes Mal)  mitzuteilen.

Am Anfang ist es für manche Herren nämlich nicht ganz leicht, alle anderen Dinge, die von ihnen verlangt werden, richtig zu machen.

Anhaltende Kritik von der Tanzpartnerin verunsichert in dieser Situation leicht, und ist daher meistens kontraproduktiv.

 

Dennoch gibt es für Damen Möglichkeiten, ihrem Partner nonverbal den ein oder anderen Hinweis zu geben und damit seine musikalische Wahrnehmung zu beeinflussen.

Ein Beispiel:

Der Partner rennt ohne Ohren und ohne Punkt und Komma über die Tanzfläche.

In diesem Fall kann es hilfreich sein, wenn die Dame sich deutlich schwerer macht, sobald sie hört, dass die Musik eine Pause erfordert.

Glaubt mir, der Herr merkt es, wenn er die Dame plötzlich ungewohnt fest anschieben muss.

Die Dame muss also gar nichts sagen, außer der Herr beschwert sich. Dann kann Sie ihm noch immer freundlich mitteilen, dass er für ihren Geschmack gerne ein wenig ruhiger tanzen könne.

Umgekehrt kann es allerdings auch der Fall sein, dass der Herr sich kaum vom Platz rührt, nicht weil er in der romantischen Melodie eines Tangos schwelgt, sondern weil er schlichtweg den Rhythmus nicht hört, oder unsicher ist, was diesen angeht.

Dann steht Ihr mit dem Herrn erstmal auf der Tanzfläche herum.

Manche Damen beginnen in dieser Situation aus Verzweiflung selber zu führen, manche raunen ihrem Tanzpartner zu, doch endlich mal loszugehen. Allerdings klappt beides selten oder nie.

 

Was dagegen meistens funktioniert, wenn Ihr mit einem Herrn tanzt, der schon etwas Erfahrung hat:

  • Macht Euch, sobald Ihr weiter wollt, etwas leichter, nicht viel, nur ein klein wenig. Der Herr spürt das und die Chancen sind gut, dass er los geht.
  • Zeigt durch Spielen mit dem freien Bein (es heißt ja nicht umsonst Spielbein), dass ihr bereit seid, weiter zu gehen. Dazu gehört beispielsweise dass Ihr Ungeduld signalisiert indem mit dem Fuß tippt oder trippelt, oder damit kleine Kreise auf den Boden zeichnet.

 

Macht das aber bitte nicht, wenn Ihr mit wirklichen Anfängern tanzt, und seid auch bereit, jederzeit vom Dekorationsmodus auf den „jetzt geht´s weiter“ Modus umzuschalten.

Ein weiteres Phänomen bei dem es eher schwer ist, den Herren zum Gehen zu bewegen, ist der Pistenpoller. Dessen tänzerisches Ziel ist es offenbar, sich auf der Tanzfläche so wenig wie möglich zu bewegen. Wenn er gut riecht, sich gut  anfühlt und auch ansonsten nett ist, kann frau mit ihm auch mal eine Tanda überstehen.

Zumindest kann sie sich darauf verlassen, dass er sie nicht stresst. Ein musikalisches Feuerwerk sollte sie aber nicht erwarten. Vielleicht lässt sich aber in diesem Fall etwas mit der „Ungedulds-Masche“ erreichen.

Und hier noch eine Frage an alle Damen. Habt Ihr noch weitere Geheimrezepte, um die Herren die musikalisch nicht so sicher sind, zum Gehen oder Stehen zu bewegen?

Lasst uns diese doch wissen.

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