Tangofrust?

Ich beteilige mich immer wieder an Diskussionen in Tangoforen im Internet und bekomme regelmäßig Tango Newsletter verschiedener Tangolehrer.

Ein Trend der mir dabei aufgefallen ist, dass in letzter Zeit immer wieder der echte oder vermeintliche Frust der Tangotänzer angesprochen wird.

Der Frust dass man den Ansprüchen an das eigene Tanzvermögen nicht gerecht wird, die Angst dass man die Technik nicht richtig beherrschen würde, die Angst davor, dass man die Musik nicht versteht und natürlich die Angst keine oder nur wenige Tanzpartner zu finden, weil man in den Augen der anderen nicht gut genug tanzen könne.

Eine Menge potentieller Frust und Ängste also, die da aufgefahren wird. Natürlich hat jeder dieser Lehrer auch die Geschichte bereit, wie er oder sie diese Ängste überwunden haben und gute, gefragte Tänzer wurden.

Und natürlich hat auch jeder die Lösung um diesen Frust, diese Ängste zu überwinden.

So weit so gut. Jeder muss Werbung machen. Ich verstehe das, ich mache auch Werbung.

Was ich dabei für problematisch halte, ist etwas anderes.

Unterschwellig wird dabei, ob beabsichtigt oder nicht, ein Bild von Tangotänzern geschaffen, welches diesen suggeriert, sie müssten eine, wie auch immer geartete, Perfektion erreichen.

Jetzt habe ich nichts gegen Perfektion an sich.

Ich würde auch gerne eleganter, musikalischer, technisch besser tanzen.

Und klar, wenn man mehr kann, hat man mehr Möglichkeiten. Das steigert das Selbstbewusstsein und den Spaß am Tanzen.

Aber ich habe den Eindruck, dass hier oft ein Tangotänzer-Bild gezeichnet wird, welches unnötig Druck aufbaut und dadurch dem Tango seinen Spaß nimmt.

Ein wenig wie das Frauen- und Mädchenbild bei Instagramm und anderen Medien, mit perfekt trainierten Modelkörpern, stets makellos gepflegt, geschminkt, manikürt und mit tollen Outfits.

Um nicht falsch verstanden zu werden. Körperhygiene ist wichtig und ich liebe es, wenn Tango auch mit Stil zelebriert wird.

Aber wenn dabei das Augenzwinkern verloren geht, wenn alles zwanghaft mit Frust und Versagensängsten und dem Anspruch an beständige Selbstoptimierung verbunden wird, finde ich das bedenklich.

Aber vielleicht sehe nur ich das so.

Ich hatte nie das Problem, das Tango tanzen mir wirklich Frust bereitet hätte oder dass ich wirklich Angst gehabt hätte, nicht gut genug zu sein (auch nicht als ich am Anfang meiner Tangotänzer-Laufbahn stand und, wie mir heute bewusst ist, herzlich wenig konnte).

Natürlich bin ich beim Tango tanzen auch mal schlecht gelaunt. Natürlich ärgert es mich immer wieder mal, wenn die Dame die ich gerne mit Mirada und Cabeceo auffordern würde, meine Blicke geflissentlich übersieht und dadurch eine Tanda die ich gerne tanzen würde, verloren geht.

Natürlich gibt es ab und zu dies oder das, was nicht zu meiner guten Laune beiträgt. Aber das sind für mich alles keine tiefgreifenden, schwerwiegenden Probleme, sondern ganz normales, nicht immer perfektes Leben.

Aber wie geht es Euch da? Sind Frust, Ängste nicht gut genug zu sein, Angst davor die Musik nicht zu verstehen, wirklich Dinge die Euch schlaflose Nächte bereiten?

Ist die Tangowerbung die diese Themen aufgreift nur der aktuelle Hype, oder kämpft auch Ihr mit diesen Problemen?

Erzählt mir doch, wie Ihr das seht und wie es Euch damit geht.

Ich freue mich darauf, von Euch zu hören.

Diese Artikel könnten für Dich auch hilfreich sein.

„Und dann sind wir frustriert sitzen geblieben“ – Die 5 größten Fehler, die Ihr bei einem Tangoanfängerkurs machen könnt, und wie Ihr diese vermeidet.

Tango mit Stil? Ja bitte!

Die Windmühlentorte mit der Kirsche

Teilnehmer unserer Kurse haben es wahrscheinlich schon erraten, ich spreche von der Molineta.

Wie mir beim Schreiben dieses Artikels erst richtig bewusst wurde, ist der Begriff Molineta den wir und viele andere deutschsprachige Tangolehrer verwenden, leider falsch, obwohl er so schön spanisch klingt.

Auf Spanisch heißt es nämlich „el molinete“ – „der Windmühle“. Die Windmühle ist im spanischen wie auch alle anderen Mühlen (beispielsweise „el molino – die normale Feld, Wald und Wiesen – Mühle“ oder „el trapiche – die Zuckerrohrmühle“) männlich.

 

Da auf Deutsch aber kein Mensch „der Windmühle“ sagen würde, bleiben wir bei La Molineta auch wenn´s nicht wirklich korrekt ist.

Oft wird die Molineta auch als „Giro“ – „Drehung“ bezeichnet. In manchen Foren über Tango wird heftig darüber diskutiert, welches denn die korrekte Bezeichnung sei.

Giro oder Molinete, welche original Argentinisch und traditionell schon immer verwendet worden wäre und welche nicht, welche Unterschiede es gegebenenfalls zwischen diesen Bezeichnungen gäbe.

Das alles braucht uns aber nicht zu interessieren.

 

Was also ist die Molineta?

Die Molineta ist eine Figur, bei der die Dame um den Herrn herumgeht (seltener auch der Herr um die Dame).

Ich sage zwar Figur, neige aber dazu, die Molineta eher als weiteres Legosteinchen aus meinem Tango-Baukasten zu sehen.

 

Die Molineta besteht aus einer Abfolge von Seit- und Kreuzschritten.

Wenn man um ein Zentrum herum geht, ergibt sich organisch folgendes Muster (wobei es egal ist, mit welchem Schritt man anfängt):

Seitschritt – rückwärts gekreuzter Schritt – Seitschritt –  vorwärts gekreuzter Schritt – Seitschritt und so weiter.

Dieses Muster findet man im Volkstanz in vielen Kreistänzen und das hat seinen Grund. Es ist für unseren Körper schlichtweg eine der natürlichsten Arten, sich um ein Zentrum herum zu bewegen, während man in die Richtung dieses Zentrums blickt.

 

Zwei Dinge sind wichtig bei der Molineta.

Zum einen stellt der Herr gewissermaßen die Nabe des Windrads dar, um welche sich die Flügel drehen. Er muss also möglichst ruhig bleiben, während er sich von der Dame drehen lässt. Breitbeiniges Hin- und Her Gewackel bringt die Dame aus dem Gleichgewicht.

Das ist vergleichbar mit einer ausgeschlagenen, hin- und her wackelnden Radnabe bei einem Auto. Um die herum kann das Rad auch nicht ruhig laufen.

Was der Herr dabei mit den Füßen tut, ist vergleichsweise egal. Der Bezugspunkt der Dame ist der Oberkörper des Herrn, der muss so ruhig wie möglich bleiben.

Was die Füße des Herrn angeht, gibt es viele Möglichkeiten. Wir empfehlen zumindest am Anfang am Platz, auf der Größe einer Fliese (also maximal 40 cm x 40 cm) den Takt mitzustapfen.

Tänzer die über eine gute Achse verfügen, können beispielsweise auch auf einem Bein drehen und das andere weg strecken, wenn sie ein bisschen angeben wollen (nicht auf einer überfüllten Tanzfläche).

Aber da gibt es, wie gesagt, viele Möglichkeiten. Wichtig ist, dass der Oberkörper des Herrn bei allem Gehacksel welches er probieren kann, so ruhig wie möglich bleibt.

 

Andererseits ist es wichtig, dass die Dame immer im gleichen Abstand um den Herrn herum geht, also diesem weder zu nahe kommt, noch sich von ihm entfernt.

Wir bemühen dann gern den Vergleich mit einer Torte, an deren Rand die Dame entlang tanzt.

Auf keinen Fall darf sie auf die Torte treten.

Zu weit weg sollte sie aber auch nicht gehen, weil sie sich sonst von der Torte entfernt und wenn´s blöd läuft, nichts mehr davon abkriegt.

Der Herr ist dabei, unsere Kursteilnehmer wissen es, die Kirsche in der Mitte der Torte.

 

 

 

 

Der Tortenvergleich hilft noch bei einer anderen Sache.

Von immer noch zu vielen Lehrern wird unterrichtet, dass die Dame bei der Molineta in vier Schritten um den Herrn herum getanzt sein muss und dieser zwangsläufig am Ende wieder in der Tanzrichtung steht.

Das ist Unsinn!

Zum einen kann man die Molineta aus jedem Schritt und jeder Situation heraus beginnen (mehr dazu in einem weiteren Beitrag), je nach dem was die Musik sagt und wie die Situation auf der Tanzfläche ist.

Zum anderen würde man sich, wenn man die Molineta als starre Figur tanzt, gedanklich wieder auf genau diese Figur festlegen, die man unbedingt „fertig tanzen“ muss, wenn man es „richtig“ machen will. Auf der vollen Tanzfläche ist das absolut nicht hilfreich.

Natürlich ist es nicht verkehrt, wenn der Herr sobald er eine oder zwei Umdrehungen oder Teile davon geführt hat, wieder in der Tanzrichtung steht, aber unbedingt notwendig ist es nicht.

Wichtig ist es dagegen, sich die Fähigkeit anzueignen, auf die Musik und die jeweilige Situation auf der Tanzfläche zu reagieren. Ohne festgefügte Figuren ist das nicht allzu schwer. Wenn man dagegen in starren Figurenabläufen denkt, ist es fast unmöglich.

 

So, und jetzt kommen wir wieder zum Tortenvergleich.

Bei der starr festgelegten Figur mit vier Schritten um den Mann muss die Dame jeden Schritt gleich lang tanzen.

Das ist aber nicht notwendig, manchmal schwer durchzuführen und daher nicht hilfreich.

Leichter und netter ist es, die Schritte als unterschiedlich große Tortenstücke zu sehen, die die Dame an die Anwesenden verteilt.

Für den dicken Papa ein großes (tut ihm zwar nicht gut, schmeckt aber), für die Kinder oder die Oma die nicht viel isst, vielleicht etwas kleinere. Für alle anderen normal große.

In den Tanz umgesetzt könnte das heißen:

Die Seitschritte sind immer normal groß, etwa schulterbreit.

Das Vorwärts Kreuz ist extra groß (lässt sich leicht tanzen)

Das Rückwärtskreuz ist etwas kleiner  (weil frau sich sonst sehr verdrehen muss)

Alle verdoppelten Schritte der Frau sind etwas kleiner (weil es leichter ist, die schnelleren Schritte kleiner zu machen)

 

Natürlich gibt es Tänzerinnen, die in der Lage sind, eine starke Distorsion (gegenläufige Drehung von Körper und Becken) zu machen und alle Schritte gleich lang zu tanzen. Das ist nicht verkehrt.

Aber für die meisten ist es anders schlichtweg einfacher.

 

Aktiv – Passiv

Und jetzt kommt noch eine Eigenschaft der Molineta.

Die Molineta gehört zu den Elementen bei denen die Frau aktiv den Rhythmus gestalten kann, während der Mann eher passiv ist.

Die Frau kann also mit dem Rhythmus ganz nach ihrem Geschmack und ihren Fähigkeiten spielen, kann verdoppeln oder verlangsamen.

Der Herr leitet die Molineta nur ein und beendet sie nach ein, spätestens zwei Umdrehungen wieder (sonst blockiert er den Tanzfluss in der Ronda und das kommt bei den anderen Tänzern nicht gut an).

Der Herr kann auch die Richtung der Molineta ändern, beispielsweise wenn ihm schwindlig wird, er den Zusammenstoß mit anderen Tänzern vermeiden will, oder wenn die Musik das nahe legt (wie das am besten geht erfahrt Ihr in einem anderen Beitrag).

 

Ja, auch der Herr kann bei der Molineta mit dem Rhythmus spielen, kann beschleunigen oder verlangsamen. Aber warum sollte er dauernd arbeiten?

Also, meine Herren lasst die Damen doch ruhig mal machen.

 

Tangos hmmsen

Vor einiger Zeit nahm ich an einem Musikalitätsworkshop mit Joaquim Amenábar teil.

Natürlich gab es dort jede Menge Übungen zum Mitklatschen, Mitstampfen, zum Rhythmus oder/und zur Melodie zu gehen.

 

Eine Sache die ich jedoch besonders faszinierend fand, war der Ratschlag, die Stücke mitzusingen.

Joaquims Ansatz ist, dass die Musik unmittelbarer und damit schneller vom Kopf in die Beine geht, wenn man sie in irgendeiner Weise mitsingt.

Wie zu erwarten kamen von etlichen Kursteilnehmern dazu Fragen und Einwände.

„Aber wir kennen dieses Stück doch gar nicht, wie sollen wir da mitsingen?“

„Müssen wir jetzt den Text von jedem Tango auswendig lernen?“

„Aber ich kann überhaupt nicht singen!“

Doch darum ging es überhaupt nicht.

 

Joaquim erklärte uns, dass man die Musik mit Hilfe des Gehörs einfach schneller aufnehmen und in den Körper, wenn man so will, einspeichern würde.

Das gelte ausdrücklich auch für Musik die man noch nicht zuvor gehört habe.

Dadurch würden auch die Beinen schneller reagieren und man könne richtig und musikalisch zu eigentlich unbekannter Musik tanzen.

Das Mitsingen oder Mitsummen diene dazu, die Aufnahme der Musik im Gehirn zu verstärken und sowohl schneller als auch nachhaltiger zu machen.

Den Einwand das man weder richtig singen noch ordentlich summen könne, beantwortete Joaquim mit „dann musst Du eben mit hmmsen.“

Welche Laute genau wir von uns gaben, und ob diese schön klangen, war also nicht wichtig. Das einzig Wichtige war, dass man mit Hilfe irgendwelcher Laute, die annähernd dem gespielten Musikstück ähnlich waren, in die Lage versetzt wurde, dieses Stück schneller zu verstehen.

Im Kurs probierten wir das natürlich gleich aus, und siehe da, es funktionierte. Auf einmal entstand eine Verbindung zwischen Gehirn und Beinen, die zuvor nicht dagewesen war.

Also, wenn Ihr in Zukunft einen Tango den Ihr noch nicht, oder nicht gut kennt, schnell in die Beine kriegen wollt, schiebt Ängste Euch lächerlich zu machen oder das Gefühl dass Ihr etwas Komisches tut, gedanklich zur Seite und hmmst den Tango einfach mal mit.

 

Vielleicht sind auch diese Artikel hilfreich.

Ein kleiner Tipp zum musikalischen Tanzen

Schau den Tango Orchestern zu!

Männer, widersteht der Versuchung

Von Oscar Wilde wird der Satz kolportiert.

„Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung.“

 

Leider scheinen sich auch beim Tangotanzen viele Männer diese Maxime zu eigen zu machen.

Die Versuchung scheint groß, alles an Figuren, Schritten und sonstigem Trallala zu zeigen, dass Mann irgendwann, mehr oder weniger gut gelernt hat.

 

Dabei ist das gar nicht nötig.

Die schönste Versuchung für die Tänzerinnen besteht nämlich darin, dass ihre Partner musikalisch tanzen, ohne sie zu stressen.

Widersteht also der Versuchung auf der vollen Tanzfläche zu zeigen, wie viele tolle Figuren ihr drauf habt (oder auch nicht).

 

Glaubt mir, es gibt keine Dame, die sich darüber beschwert, dass ihr zu wenig Figuren macht, wenn ihr nur…,

…ja, wenn ihr nur schön mit der Musik Tango tanzt. Den meisten Frauen gefällt das nämlich viel besser, als stressige Turnübungen auf der Tanzfläche, die mit der Musik nur am Rande zu tun haben.

Außerdem kenne ich keine einzige Dame, die es schätzt, wenn ihr Tanzpartner dauernd Kollisionen mit den anderen Paaren auf der Tanzfläche verursacht.

 

Also, auch wenn die Versuchung übermächtig zu werden scheint..:-)

Männer, bleibt stark!

 

Vielleicht sind auch diese Artikel hilfreich:

Fallt nicht in die Figurenfalle

 

Schluss mit diesem dummen Mythos!