Immer wieder wird mir von Teilnehmern unserer Tangokurse gesagt, dass sie noch nie auf einer Milonga gewesen wären, und es passiert gar nicht so selten, dass sie in unseren Kursen das erste Mal eine Milonga besuchen.
Das Verwunderliche daran ist, dass es sich dabei nicht etwa um die Teilnehmer unserer Anfängerkurse handelt, sondern um Tänzer/innen die bereits längere Zeit, oft für einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren, Kurse besucht haben.
Hier einige der Gründe die mir dafür genannt werden, dass sie noch nie auf einer Milonga waren:
- Ihr Tangolehrer hat ihnen gesagt, dass sie „noch nicht soweit seien“. Für mich ein Zeichen entweder für einen übersteigerten Narzismus des Lehrers, welcher nicht will, dass „unvollkommene“ Schüler ihm Schande machen, oder für die Unfähigkeit des Lehrers, seine Kursteilnehmer auf die Milonga vorzubereiten.
- Sie selber denken, dass sie noch nicht soweit seien. Kommt vor, aber dann muss ihr Tangolehrer ihnen eben Mut machen.
- Sie haben Angst davor, mit anderen als dem eigenen Partner zu tanzen. Auch das kommt vor, aber auch hier gilt, dass man seine Schüler ermutigen muss, mit anderen Partnern zu tanzen, weil sie dabei in aller Regel viel lernen.
- Sie haben außerhalb des Urlaubs generell wenig Zeit zum Tanzen zu gehen. Gut, wo das der Fall ist, und es nicht nur aus Angst vor unzureichenden Tanzkenntnissen vorgeschoben wird, kann man wahrscheinlich wirklich nicht viel machen.
- In ihrer Tanzschule, wo neben Tango auch alle möglichen anderen Tänze unterrichtet werden, können sie zwar die gelernten Figuren und Schrittkombinationen zumindest einigermaßen tanzen, weil sie die Tanzfläche für sich haben, wenn Tango Argentino gespielt wird. Beim Besuch einer Milonga aber, wo reger Betrieb auf der Tanzfläche herrscht, geht gar nichts mehr. Hier gilt: Zeig den Kursteilnehmern einfach umzusetzende, realistische Möglichkeiten sich auf der Tanzfläche sicher zu bewegen, anstatt ihnen komplizierte Figuren einzubläuen, die sie im wirklichen Leben auf der Tanzfläche nie machen können.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass man wirklich Tango tanzen nicht in erster Linie im Kurs lernt (auch wenn dort natürlich die Grundlage gelegt wird), sondern in der Milonga.
Oder wie ich unseren Kursteilnehmern zu sagen pflege: „Überleben lernt Ihr im Dschungel und nicht in den geschützten Werkstätten.“
Und für mich ist auch völlig klar, dass Tangotänzer die von Anfang an das Erfolgserlebnis haben, sich auf der Tanzfläche einer Milonga sicher bewegen zu können, mit mehr Spaß tanzen, dabei bleiben und nach und nach ihre Fähigkeiten verfeinern.
Deshalb unterrichten wir auch bei unseren Anfängerkursen bereits am ersten Kurstag die notwendigen Fähigkeiten, um zu einer Milonga zu gehen, und dort, wenn auch mit einfachen Mitteln, zu tanzen.
Wenn wir dies unseren Kursteilnehmern am Ankunftsabend mitteilen, ernten wir oft verblüfftes Staunen, und die Frage ob das denn überhaupt möglich wäre.
Aber zum Erstaunen unserer Kursteilnehmer funktioniert es bei den Allermeisten doch erstaunlich gut.
Klar, es gibt einige, für die der erste Milongabesuch noch einschüchternd und das Spektakel der guten und vermeintlich guten Tänzer auf der Tanzfläche etwas überwältigend ist. Da braucht es dann auch immer wieder tüchtig Ermutigung, bevor sie sich trauen.
Aber, wie gesagt, die Allermeisten machen, nachdem sie ihre anfängliche Besorgnis überwunden haben, die positive Erfahrung, dass sie es schaffen, dass sie sich wirklich, von Anfang an, auf der Tanzfläche bewegen können.
Aus meiner Sicht ist das der wichtigste Schritt, denn es bedeutet, dass sie mit Selbstvertrauen und Zuversicht weiter tanzen, und nicht frustriert sitzen bleiben.
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„…Nicht zu vergessen, unser Besuch einer Milonga in Perugia gleich am Sonntagabend. Ein mulmiges Gefühl hatten wir ja, aber Eure Einführung am Sonntag hat ausgereicht, dass wir auf der Milonga gut zurecht kamen und viel Spaß hatten.“…
Anne und Raimund über den Tangokurs für Anfänger mit Wolfgang und Annette
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Und dann sind wir frustriert sitzen geblieben.