Tango und Sozialkompetenz?
Wie Tango tanzen uns helfen kann, unsere Sozialkompetenz zu erweitern, und mit anderen Menschen besser klarzukommen.
Wenn Ihr nichts über Tango Argentino wisst, außer den bekannten Klischees, die viele Leute im Kopf haben, wenn sie an Tango denken, fragt Ihr Euch vielleicht „Von was um Himmels Willen redet der da eigentlich?“
Nun, die Sache ist folgende…
Vielleicht kennt Ihr Tango aus irgend einem Film, in dem obskure Gestalten auf schummrigen Tanzflächen seltsame Bewegungen vollführen, und dabei Unmengen von Rosen zerkauen.
Vielleicht habt Ihr Euch Eure Meinung über Tango gebildet, nachdem Ihr bei einem Standard Tanzturnier zugeschaut habt – eingefrorenes Lächeln, zackige Bewegungen, Köpfe bei jedem Schritt völlig unnatürlich verdreht…
Möglicherweise wart Ihr bei einer Tangoshow, spektakulär, technisch brillant, sinnlich und höchstwahrscheinlich sehr beeindruckend.
Aber was hat das alles mit sozialer Kompetenz zu tun?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zurück zu den Wurzeln des Tango gehen.
Der Tango entstand Ende des 19. Jahrhunderts in Buenos Aires und Montevideo.
Einwanderer aus der ganzen Welt kamen zum Rio de la Plata, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Zur selben Zeit kamen aber auch viele einheimische Argentinier und Uruguayer vom Land in die großen Städte Buenos Aires und Montevideo.
Sie hatten ihre Arbeitsplätze auf den großen Haziendas, den Rinderfarmen von der Größe kleiner Königreiche verloren, und suchten Arbeit in der Stadt..
Da beide Gruppen um Arbeitsplätze, ein Dach über dem Kopf und oft sogar das bloße Überleben miteinander konkurrierten, waren soziale Spannungen unvermeidlich.
Andererseits war dieser Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen die Wiege für einen der erfolgreichsten Musikstile und Tänze, den Tango.
Tango war zu seiner Entstehungszeit ein „Baile social“, ein Tanz in der Gemeinschaft (und der echte Tango Argentino ist das bis heute geblieben), ein sozialer Tanz, der von den einfachen Leuten, Handwerkern, Arbeitern, kleinen Kaufleuten aber auch von den vielen in der Stadt gestrandeten Menschen getanzt wurde…
Tango wurde in den verschiedenen Stadtvierteln unterschiedlich getanzt, je nach der Herkunft der Bewohner des jeweiligen Viertels und ihrer musikalischen Traditionen.
Um aber zusammen tanzen zu können, mussten sich alle Tänzer auf einen gemeinsamen Kodex verständigen.
Ein wichtiger Bestandteil dieses Kodex, der unter wirklich guten Tangotänzern bis heute gilt, war der gegenseitige Respekt, und damit verbunden die Einhaltung gewisser Formen.
Obwohl es natürlich schon immer mehr oder weniger begabte Tänzer gab, und gute Tänzer durchaus Beachtung und Bewunderung ernteten, war für die richtigen Milongueros nicht das Wichtigste, um jeden Preis aufzufallen, und zu zeigen, was für ein toller Tänzer man wahr.
Viel wichtiger war es, in Harmonie in der „Ronda“, der Runde aller Tänzer auf der Tanzfläche, zu tanzen.
Niemand hätte es gewagt, absichtlich den Tanz eines Anderen zu stören, ganz zu schweigen davon, einen anderen Tänzer zu treten oder anzurempeln.
Wenn Du als guter Tänzer gelten wolltest, musstest Du Wege finden, besser zu tanzen und dabei in der Harmonie der „Ronda“ zu bleiben,
Tangotänzer mussten lernen, sich beständig mit dem Fluß der Musik in der Tanzrichtung zu bewegen, in Harmonie mit allen anderen Tänzern, anstatt sich um jedes kleine Stückchen der Tanzfläche zu streiten.
Angesichts der Tatsache, dass Tango nicht nur ein Zeitvertreib war, sondern für die Milongueros und Milongueras zu einem kompletten Lebensstil wurde, entwickelten diese, zumindest was das Tango tanzen anging, eine starke soziale Kompetenz.
Ein Aspekt von dem wir sicherlich lernen können.
Auf der Tanzfläche (Und das wäre manchmal bitter nötig) aber auch außerhalb.
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