Die Windmühlentorte mit der Kirsche

Teilnehmer unserer Kurse haben es wahrscheinlich schon erraten, ich spreche von der Molineta.

 

Wie mir beim Schreiben dieses Artikels erst richtig bewusst wurde, ist der Begriff Molineta den wir und viele andere deutschsprachige Tangolehrer verwenden, leider falsch, obwohl er so schön spanisch klingt.

Auf Spanisch heißt es nämlich „el molinete“ – „der Windmühle“. Die Windmühle ist im spanischen wie auch alle anderen Mühlen (beispielsweise „el molino – die normale Feld, Wald und Wiesen – Mühle“ oder „el trapiche – die Zuckerrohrmühle“) männlich.

 

Da auf Deutsch aber kein Mensch „der Windmühle“ sagen würde, bleiben wir bei La Molineta auch wenn´s nicht wirklich korrekt ist.

Oft wird die Molineta auch als „Giro“ – „Drehung“ bezeichnet. In manchen Foren über Tango wird heftig darüber diskutiert, welches denn die korrekte Bezeichnung sei.

Giro oder Molinete, welche original Argentinisch und traditionell schon immer verwendet worden wäre und welche nicht, welche Unterschiede es gegebenenfalls zwischen diesen Bezeichnungen gäbe.

Das alles braucht uns aber nicht zu interessieren.

 

Was also ist die Molineta?

Die Molineta ist eine Figur, bei der die Dame um den Herrn herumgeht (seltener auch der Herr um die Dame).

Ich sage zwar Figur, neige aber dazu, die Molineta eher als weiteres Legosteinchen aus meinem Tango-Baukasten zu sehen.

 

Die Molineta besteht aus einer Abfolge von Seit- und Kreuzschritten.

Wenn man um ein Zentrum herum geht, ergibt sich organisch folgendes Muster (wobei es egal ist, mit welchem Schritt man anfängt):

Seitschritt – rückwärts gekreuzter Schritt – Seitschritt –  vorwärts gekreuzter Schritt – Seitschritt und so weiter.

Dieses Muster findet man im Volkstanz in vielen Kreistänzen und das hat seinen Grund. Es ist für unseren Körper schlichtweg eine der natürlichsten Arten, sich um ein Zentrum herum zu bewegen, während man in die Richtung dieses Zentrums blickt.

 

Zwei Dinge sind wichtig bei der Molineta.

Zum einen stellt der Herr gewissermaßen die Nabe des Windrads dar, um welche sich die Flügel drehen. Er muss also möglichst ruhig bleiben, während er sich von der Dame drehen lässt. Breitbeiniges Hin- und Her Gewackel bringt die Dame aus dem Gleichgewicht.

Das ist vergleichbar mit einer ausgeschlagenen, hin- und her wackelnden Radnabe bei einem Auto. Um die herum kann das Rad auch nicht ruhig laufen.

Was der Herr dabei mit den Füßen tut, ist vergleichsweise egal. Der Bezugspunkt der Dame ist der Oberkörper des Herrn, der muss so ruhig wie möglich bleiben.

Was die Füße des Herrn angeht, gibt es viele Möglichkeiten. Wir empfehlen zumindest am Anfang am Platz, auf der Größe einer Fliese (also maximal 40 cm x 40 cm) den Takt mitzustapfen.

Tänzer die über eine gute Achse verfügen, können beispielsweise auch auf einem Bein drehen und das andere weg strecken, wenn sie ein bisschen angeben wollen (nicht auf einer überfüllten Tanzfläche).

Aber da gibt es, wie gesagt, viele Möglichkeiten. Wichtig ist, dass der Oberkörper des Herrn bei allem Gehacksel welches er probieren kann, so ruhig wie möglich bleibt.

 

Andererseits ist es wichtig, dass die Dame immer im gleichen Abstand um den Herrn herum geht, also diesem weder zu nahe kommt, noch sich von ihm entfernt.

Wir bemühen dann gern den Vergleich mit einer Torte, an deren Rand die Dame entlang tanzt.

Auf keinen Fall darf sie auf die Torte treten.

Zu weit weg sollte sie aber auch nicht gehen, weil sie sich sonst von der Torte entfernt und wenn´s blöd läuft, nichts mehr davon abkriegt.

 

Der Herr ist dabei, unsere Kursteilnehmer wissen es, die Kirsche in der Mitte der Torte.

 

 

 

 

Der Tortenvergleich hilft noch bei einer anderen Sache.

Von immer noch zu vielen Lehrern wird unterrichtet, dass die Dame bei der Molineta in vier Schritten um den Herrn herum getanzt sein muss und dieser zwangsläufig am Ende wieder in der Tanzrichtung steht.

Das ist Unsinn!

Zum einen kann man die Molineta aus jedem Schritt und jeder Situation heraus beginnen (mehr dazu in einem weiteren Beitrag), je nach dem was die Musik sagt und wie die Situation auf der Tanzfläche ist.

Zum anderen würde man sich, wenn man die Molineta als starre Figur tanzt, gedanklich wieder auf genau diese Figur festlegen, die man unbedingt „fertig tanzen“ muss, wenn man es „richtig“ machen will. Auf der vollen Tanzfläche ist das absolut nicht hilfreich.

Natürlich ist es nicht verkehrt, wenn der Herr sobald er eine oder zwei Umdrehungen oder Teile davon geführt hat, wieder in der Tanzrichtung steht, aber unbedingt notwendig ist es nicht.

Wichtig ist es dagegen, sich die Fähigkeit anzueignen, auf die Musik und die jeweilige Situation auf der Tanzfläche zu reagieren. Ohne festgefügte Figuren ist das nicht allzu schwer. Wenn man dagegen in starren Figurenabläufen denkt, ist es fast unmöglich.

 

So, und jetzt kommen wir wieder zum Tortenvergleich.

Bei der starr festgelegten Figur mit vier Schritten um den Mann muss die Dame jeden Schritt gleich lang tanzen.

Das ist aber nicht notwendig, manchmal schwer durchzuführen und daher nicht hilfreich.

Leichter und netter ist es, die Schritte als unterschiedlich große Tortenstücke zu sehen, die die Dame an die Anwesenden verteilt.

Für den dicken Papa ein großes (tut ihm zwar nicht gut, schmeckt aber), für die Kinder oder die Oma die nicht viel isst, vielleicht etwas kleinere. Für alle anderen normal große.

In den Tanz umgesetzt könnte das heißen:

Die Seitschritte sind immer normal groß, etwa schulterbreit.

Das Vorwärts Kreuz ist extra groß (lässt sich leicht tanzen)

Das Rückwärtskreuz ist etwas kleiner  (weil frau sich sonst sehr verdrehen muss)

Alle verdoppelten Schritte der Frau sind etwas kleiner (weil es leichter ist, die schnelleren Schritte kleiner zu machen)

 

Natürlich gibt es Tänzerinnen, die in der Lage sind, eine starke Distorsion (gegenläufige Drehung von Körper und Becken) zu machen und alle Schritte gleich lang zu tanzen. Das ist nicht verkehrt.

Aber für die meisten ist es anders schlichtweg einfacher.

 

Aktiv – Passiv

Und jetzt kommt noch eine Eigenschaft der Molineta.

Die Molineta gehört zu den Elementen bei denen die Frau aktiv den Rhythmus gestalten kann, während der Mann eher passiv ist.

Die Frau kann also mit dem Rhythmus ganz nach ihrem Geschmack und ihren Fähigkeiten spielen, kann verdoppeln oder verlangsamen.

Der Herr leitet die Molineta nur ein und beendet sie nach ein, spätestens zwei Umdrehungen wieder (sonst blockiert er den Tanzfluss in der Ronda und das kommt bei den anderen Tänzern nicht gut an).

Der Herr kann auch die Richtung der Molineta ändern, beispielsweise wenn ihm schwindlig wird, er den Zusammenstoß mit anderen Tänzern vermeiden will, oder wenn die Musik das nahe legt (wie das am besten geht erfahrt Ihr in einem anderen Beitrag).

 

Ja, auch der Herr kann bei der Molineta mit dem Rhythmus spielen, kann beschleunigen oder verlangsamen. Aber warum sollte er dauernd arbeiten?

Also, meine Herren lasst die Damen doch ruhig mal machen.

 

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